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Praxis-Geschichten: Das Problem – ein Zahnarzt ist ein schlechter IGeL-Verkäufer (Fortsetzung)

Fortsetzung von
Praxis-Geschichten: Das Problem – ein Zahnarzt ist ein schlechter IGeL-Verkäufer

Bild: Stefan Bayer  / pixelio.de

Bild: Stefan Bayer / pixelio.de

Meine Sicht auf das Thema:

Ich hatte mich immer gewundert, warum es in meiner Heimatstadt Ulm an jeder Straßenecke eine Zahnarztpraxis gibt. Aber jetzt war mir klar, dass bei 120.000 Einwohnern, die Ulm in etwa hat, rechnerisch 100 Zahnarztpraxen vorhanden sind.

In meinem Kopf fing gleich meine Rechnung an:

  • Wenn ein Zahnarzt 230 Tage im Jahr arbeitet, d.h. keine Wochenendarbeit und 30 Tage Urlaub, und
  • alle Patienten einmal im Jahr zur Vorsorge kommen,
  • dann hat er automatisch fünf Patienten (1.200 Einwohner / 230 Arbeitstage) pro Tag.

Diese Patienten sorgen bereits für einen Basisumsatz, der, sofern ein Arzt seine Patienten nicht vergrault, immer gesichert ist. Kommen diese Patienten zweimal im Jahr zur Vorsorgeuntersuchung, sind es schon zehn Patienten pro Tag. In meinen Beruf als Unternehmensberaterin und Coach ist eines der präsentesten Themen im Berufsalltag das Thema Akquise und Marketing: Wie komme ich an Neukunden? Und ich muss feststellen, ein Zahnarzt hat quasi über den Einwohnerschlüssel seinen potentiellen Kundenkreis schon bei der Praxiseröffnung generiert. Wahnsinn!

Fahren wir fort mit meiner Rechnung:

  • Mein Zahnarzt berechnet für eine Zahnprophylaxe, die eine medizinische Fachangestellte wie es heute heißt, durchführt, für die Basisbehandlung 100 Euro.
    Das ist ein durchschnittlicher Betrag in Ulm, denn andere Praxen verlangen bis zu 130 Euro pro Sitzung.
  • Wenn jeder Patient einmal im Jahr zur Prophylaxe kommt und sich seine Zähne reinigen lässt, dann bedeutet das für die Zahnarztpraxis bereits 120.000 Euro Umsatz.
  • Kommen die Patienten zweimal pro Jahr, so kommt die Praxis, ohne dass der Zahnarzt das kleinste Loch gebohrt hat, auf einen Umsatz von 240.000 Euro.

Diese provokante Hochrechnung kommt natürlich nur aus meinem Neid heraus, dass in meinem Metier die Kunden nicht automatisch generiert werden. Natürlich kann man nicht davon ausgehen, dass alle Patienten immer regelmäßig kommen und darüber hinaus auch mehrfach pro Jahr. Aber ich habe bei der Umsatzhochrechnung die wirklichen Zahnarztleistungen wie Kronen, Implantate und Prothesen noch gar nicht berücksichtigt.

Ich als gesetzlich Versicherte und mit dem Gebiss, bei dem fast jeder Zahn durch eine Krone oder Ähnliches ersetzt ist, gehöre also zur Kategorie der „qualitativ hochwertigen“ Patienten. Darüber hinaus gehe ich zweimal pro Jahr für 100 Euro zur Prophylaxe. Mein Zahnarzt kann also stolz sein, mich als Patientin zu haben.

Zur Geburt meines Sohnes bekamen mein Mann und ich von meinem Zahnarzt, den wir auch privat kennen, einen großen Teddybären der Firma Steiff geschenkt. Diese Teddybären sind teuer. Über dieses großzügige Geschenk war ich sichtlich erstaunt. Mein Mann sagte später zu mir, als wir wieder alleine waren: „Was bist du so erstaunt? Dein Zahnarzt hat dir jetzt quasi eine Prophylaxe-Behandlung zurückgeschenkt.“
Diese Sicht auf die Dinge fand ich revolutionär.

Und welche Sicht haben Sie auf die Dinge?

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