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Wenn das Gehalt zum Schmerzensgeld wird

Gehalt

Warum empfinden manche Mitarbeiter ihr Gehalt als Schmerzensgeld? Kann Schmerzensgeld hoch genug sein?

Gehalt und Schmerzensgeld

Bildnachweis: © Frog 974 – Fotolia.com

Wenn man 100 angestellte Mitarbeiter von verschiedenen Unternehmen befragen würde, ob sie mit ihrem aktuellen Gehalt zufrieden wären, würden wahrscheinlich deutlich über 50 darauf antworten, dass sie sich unterbezahlt fühlen. Das Zauberwort, welches in diesem Zusammenhang immer fällt, heißt leistungsgerechte Bezahlung. Die Mitarbeiter fühlen sich, gemessen an ihrer Leistung, nicht gerecht entlohnt. Umso unzufriedener ein Mitarbeiter eines Unternehmens ist, desto mehr entwickelt sich das Gehalt am Ende des Monats zum Schmerzensgeld.

Ich bin Coach und coache seit Jahren Menschen, die beruflich unzufrieden sind. In der Regel handelt es sich bei meinen Klienten um Fach- und Führungskräfte aus der Industrie. Jedes Coaching beginnt damit, die aktuelle Situation der einzelnen Klienten zu beleuchten und zu reflektieren. Danach erarbeiten wir die Ziele der Klienten. Hierbei gilt es herauszufinden, was sich die Menschen wünschen und in ihrer aktuellen beruflichen Situation nicht haben.

Die Menschen möchten

  • wieder Spaß an der Arbeit haben,
  • interessante Aufgaben und Projekte bearbeiten,
  • morgens gerne zur Arbeit gehen,
  • eine leistungsgerechte Bezahlung und
  • mehr Weiterbildungsmöglichkeiten.

Auf der zwischenmenschlichen Ebene möchten sie

  • mehr Anerkennung für ihre Arbeitsergebnisse,
  • Wertschätzung durch Kollegen und Vorgesetzte sowie
  • das Gefühl haben, dass ihre Meinung zu gewissen Fragestellungen wichtig und relevant ist.

Besonders das Thema Bezahlung wird von den einzelnen Klienten lange erklärt. Argumente sind z.B., dass sie durch ihre Projekte dem Unternehmen viel Geld eingespart haben oder dass Kollegen, die einen gleichwertigen Job haben deutlich mehr verdienen.

Im Coaching wird jeder der aufgezählten Punkte auf eine Karte geschrieben und an die Pinnwand gepinnt. Ich bitte die Klienten, mir ihr Wunschgehalt zu nennen und schreibe dieses auf die Karte mit dem Punkt „leistungsgerechte Bezahlung”. Wenn wir alle Wünsche zusammengetragen haben, bitte ich die Klienten, sich Zeit zu nehmen und die einzelnen Karten neu zu ordnen. Hierbei gilt das Prinzip:
Punkte, die den Klienten besonders wichtig sind, kommen oben in die Rangfolge. Die Karten mit den Themen, die eher nice to have sind,  sollen in der Rangfolge unten angebracht werden. Der den Klienten wichtigste Punkt steht dann am Schluss ganz oben, der unwichtigste ganz unten in der Liste.

Bei der Neusortierung der einzelnen Wünsche und Punkte ist mir ein Phänomen aufgefallen. Bei allen Klienten taucht der Punkt der leistungsgerechten Bezahlung nicht wie vermutet oben in der Rangfolge auf. Die Karte mit dem Gehaltswunsch ist in der Regel eine der untersten Karten in der Liste und lässt sich somit von der Dringlichkeit her zwischen nice to have und nahezu unwichtig einstufen. Woran liegt das?

Angestellte Mitarbeiter von Unternehmen möchten ein Gehalt, von dem sie gut leben und sich auch etwas gönnen können. Wenn die Mitarbeiter in ihrem Job zufrieden sind, was sich durch Anerkennung, Wertschätzung und interessante Aufgaben zeigt, machen sie sich in der Regel wenig bis gar keine Gedanken, ob ihr Gehalt ausreichend hoch ist und ihrer erbrachten Leistung entspricht. Sind diese Menschen auf Grund mangelnder Wertschätzung (Betriebsklima), unzureichender Anerkennung ihrer Arbeitsergebnisse (Vorgesetzte) sowie unpassender Aufgabenstellungen (Unterforderung bzw. Überforderung) unzufrieden, fangen alle an über ihr Gehalt nachzudenken. Oftmals kommen Aussagen wie:

  • „Wenn mich schon keiner für meine Ergebnisse lobt, dann möchte ich wenigstens mehr Geld.”
  • „Bei einem 60-Stunden-Pensum pro Woche sollte doch am Monatsende deutlich mehr auf dem Konto ankommen.“
  • „Wenn ich schon dieses unsägliche Projekt machen soll und mich ständig von Kunden dumm anmachen lassen muss, dann möchte ich wenigstens ordentlich dafür bezahlt werden.“

Alle diese Menschen sind in ihrem Job unzufrieden. Das Gehalt am Monatsende ist Schmerzensgeld für eine Tätigkeit, die weder Spaß macht noch Anerkennung bringt. Würden diese Menschen im nächsten Monat beispielsweise 1.000.- Euro mehr bekommen, wären sie genauso unzufrieden. Denn das Schmerzensgeld kann gefühlt nie hoch genug sein.

Für mich als Coach und als Mensch ist als Fazit festzuhalten:
Wenn Menschen im Bekanntenkreis oder mit Kollegen ausschließlich über ihr Gehalt diskutieren und mit der Höhe unzufrieden sind, diskutieren sie die Höhe von ihrem persönlichen Schmerzensgeld. Ihnen ist häufig nicht bewusst oder sie lenken ab, dass ihre Unzufriedenheit nicht an den Euros hängt sondern an viel globaleren Themen wie Anerkennung, Wertschätzung und Jobinhalte.
→ Es muss etwas Grundsätzliches geändert werden, um Zufriedenheit zu erreichen.

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